Smartes Wohnen im Bestandsplattenbau - wie kann man sich das vorstellen?
Tobias Wolfrum: Die Sanierung am Beispiel des Objekts Salvador-Allende-Platz in Jena ist Teil des „Reallabors Energiewende“ und in dieser Art einzigartig in Deutschland. Die Förderung ermöglicht uns, innovative Konzepte wie die Wärmegewinnung aus Abwässern oder die Integration von Smart-Home-Technologien zur Energieeinsparung zu testen.
In unserem Objekt „Smartes Quartier“ in Jena-Lobeda senken digitale Heizungssteuerungen den Wärmebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche bereits um bis zu 30 %. Dies trägt nicht nur zur Nachhaltigkeit bei, sondern reduziert auch die Betriebskosten für unsere Mieterinnen und Mieter.
Welche Bedeutung haben Förderprogramme wie die „Richtlinie zur Förderung des bezahlbaren Wohnens im Freistaat Thüringen“ für Ihre Projekte?
Tobias Wolfrum: Ein herausragendes Beispiel ist unser Sanierungsprojekt am Salvador-Allende-Platz in Jena-Lobeda. Hier werden elfgeschossige Gebäude aus den Jahren 1982 und 1983 umfassend modernisiert. Nach Abschluss der Arbeiten entstehen 292 geförderte Wohnungen, darunter barrierefreie Einheiten und großzügige Familienwohnungen mit bis zu sechs Räumen.
Die Förderung durch den Freistaat Thüringen, bestehend aus einem Darlehen von rund 32 Millionen Euro und einem Zuschuss von etwa 5 Millionen Euro für Barrierefreiheit, ist für die Realisierung dieses Projekts von entscheidender Bedeutung. Angesichts der aktuellen höheren Kreditzinsen sind solche Fördermittel unverzichtbar, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig die wirtschaftliche Tragfähigkeit unserer Vorhaben zu sichern. Ohne diese Unterstützung wäre es kaum möglich, die angestrebte soziale Durchmischung und die Bereitstellung von Wohnraum für einkommensschwächere Haushalte zu gewährleisten. Ich möchte an dieser Stelle auch die gute Zusammenarbeit mit der TAB betonen, hier gibt es immer einen kurzen Draht.
Die Förderung gewährleistet also sozialverträgliche Mietpreise?
Tobias Wolfrum: Definitiv, nur zum Vergleich: Unsere momentane Durchschnittsmiete im größtenteils sanierten Bestand beträgt rund 6 Euro kalt pro Quadratmeter. Wenn Sie am freien Markt in einschlägigen Immobilienportalen recherchieren, werden Sie in diesem Bereich unter 10 Euro pro Quadratmeter in Jena wenig finden.
Die kommunale Wärmeplanung ist auch in Jena in vollem Gange, gibt es erste konkrete Umsetzungen?
Tobias Wolfrum: 90 Prozent unserer Objekte werden aktuell mit Fernwärme beheizt. Die Planung in Richtung einer grünen Fernwärme bis 2040 hat bereits begonnen und unser Bestand ist energetisch grundsätzlich geeignet. Während andere Städte mittels Geothermie ihre Energie zukünftig aus der Tiefe beziehen wollen, erforschen wir in Jena momentan die Energiegewinnung aus Wasser. Hier wurde ermittelt, dass man den gesamten Fernwärmebedarf der Stadt aus der Saale gewinnen könnte. Als Idee dient hier u.a. das Konzept eines zentralen Flussthermie-Kraftwerks, das einer gewaltigen Wärmepumpe gleichzusetzen ist.
Bereits in der Erprobungsphase befinden sich andere Bausteine der Energiewende, wie zusätzliche dezentrale Nahwärmenetze oder Solaranlagen.
Welche Kompromisse mussten und müssen angesichts der Kostensteigerungen und wachsenden Vorgaben in allen Bereichen bei Ihren Projekten getroffen werden?
Tobias Wolfrum: Die stark gestiegenen Baukosten und die zahlreichen regulatorischen Vorgaben, etwa im Bereich der Energieeffizienz oder Barrierefreiheit, zwingen uns zu kreativen Lösungen. Ein Beispiel ist der Einsatz modularer Bauweisen, die die Bauzeit verkürzen und Kosten reduzieren. Gleichzeitig mussten wir bei einigen Projekten auf kostenintensive Ausstattungen verzichten, um die Mieten im erschwinglichen Bereich zu halten. Dies ist immer ein Balanceakt zwischen Qualität, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit.
Wo sehen Sie Ausbaupotentiale in einer zukunftssicheren Wohnraumförderung?
Tobias Wolfrum: Es braucht Förderprogramme, die gezielt auf die regional unterschiedlichen Herausforderungen in Thüringen eingehen. Der Freistaat zeichnet sich durch eine besondere Vielfalt an Siedlungsstrukturen aus – von den hochverdichteten Städten wie Jena oder Erfurt entlang der Bundesautobahn A4 bis hin zu ländlichen Regionen wie dem Thüringer Wald oder dem Eichsfeld. In den Ballungszentren ist der Druck auf den Wohnungsmarkt aufgrund der hohen Nachfrage enorm, während ländliche Gebiete oft mit Leerstand und Abwanderung kämpfen.
Förderprogramme müssen sich an diesen regional differenzierten Herausforderungen orientieren. Gleichzeitig sollten sie darauf abzielen, die Zusammenarbeit zwischen den Städten mit hoher Nachfrage und deren umliegenden Landkreisen, wie in Jena und dem Saale-Holzland-Kreis oder dem Landkreis Weimarer Land, weiter zu intensivieren. Solche Kooperationen können dazu beitragen, dass durch gezielte Planung ausreichend attraktiver Wohnraum entsteht – sowohl in den Städten als auch im Umland.
Wo liegen die größten Gefahren aber auch Chancen im Wohnungsbau?
Tobias Wolfrum: In Thüringer Städten wie Jena liegt eine der größten Chancen im Umgang mit vorhandenen Potenzialflächen. Eine behutsame Weiterentwicklung solcher Flächen ist notwendig, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Gleichzeitig beobachten wir immer längere Umsetzungsphasen beim Neubau, und dass in Zeiten des Wohnungsmangels und steigenden Bedarfen. Wenn ein Bauvorhaben weiter zwischen 5 und 10 Jahren Umsetzungszeit benötigt, werden sich die aktuellen Marktverhältnisse auf absehbare Zeit nicht ändern. Hier in Jena entstehen jährlich neue Arbeitsplätze, die das Angebot am Wohnungsmarkt weiter verknappen.
Im ländlichen Raum sehe ich Potenzial in der Entwicklung attraktiver Wohnformen, die Familien, Senioren und Pendler gleichermaßen ansprechen. Hier können Kooperationen zwischen Städten wie Jena und den umliegenden Landkreisen, wie dem Saale-Holzland-Kreis, dazu beitragen, Synergien zu nutzen und eine ausgewogene Entwicklung zu fördern.
Vielen Dank für das Interview!