„Kunststoff made in Thüringen“

Das #TABinterview mit Viktoria Rothleitner

Viktoria Rothleitner entwickelt und produziert mit ihrem jungen Unternehmen Polytives hochwertige Kunststoffadditive.

Viktoria Rothleitner entwickelt und produziert mit ihrem jungen Unternehmen Polytives hochwertige Kunststoffadditive. Gemeinsam mit dem Diplom-Chemiker Oliver Eckardt und Prof. Felix H. Schacher gründete sie im März 2020 die Polytives GmbH. Das Unternehmen nutzt eine eigens optimierte Technologie zur Herstellung von revolutionären Zusatzstoffen, die selbst Polymere sind. Wie das funktioniert und welche Erfahrungen sie als Frau in der Kunststoffbranche gemacht hat, erzählt uns Viktoria Rothleitner im #TABinterview.

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Woher kommt Ihre Leidenschaft für das Thema makromolekulare Chemie?

In der Schule habe ich die Leistungskurse Biologie und „Politik und Wirtschaft“ belegt. Darüber hinaus habe ich Chemie nicht abwählen wollen, denn schon zu Schulzeiten war ich zwischen den Bereichen Wirtschaft und Naturwissenschaft hin- und hergerissen. In den MINT-Fächern gibt es meines Erachtens einen stärkeren Lebensbezug; man lernt, wie die Welt funktioniert und das nicht nur durch theoretische Modelle. Dadurch hat man einen direkteren Zugang zu konkreten Lösungen für unsere Lebensrealität. Mit meinem naturwissenschaftlichen Bachelor und dem Masterabschluss „BWL für Ingenieure und Naturwissenschaftler“ habe ich dann sozusagen das Beste aus beiden Welten auch im Studium verbunden.

Sie haben im Jahr 2020 gegründet. Wie ging es los?

Mein Mitgründer Oliver Eckardt hat sich bereits 2017 beim K1-Gründungsservice der Uni Jena beraten lassen. So wurde er auf das Programm „EXIST-Forschungstransfer“ aufmerksam, das sich für Ausgründungen von Uni-Mitarbeitenden eignet, um Zeit und finanzielle Mittel für den „Proof of Concept“ ihrer Gründungsidee zu haben. Für Gründungen mit einem starken Forschungsschwerpunkt ist das Risiko für Banken und Investoren einfach zu hoch, sodass mit diesem Programm meiner Meinung nach ideal eine zuvor bestehende Lücke geschlossen wurde. Als wir uns kennenlernten, war Oliver mit der Antragstellung schon recht weit, aber der BWL-Part fehlte noch. Das habe ich dann übernommen. Nach Begutachtung und Jury-Sitzung wurden wir im März 2018 in das Programm aufgenommen. Bis 2021 konnten wir im EXIST-Projekt und damit im Uni-Kontext an den Polytives-Additiven arbeiten.

Wie konnte die Thüringer Gründungsinfrastruktur unterstützen?

Wir haben im März 2020 gegründet und spätestens ab dann, aber auch vorher schon, alle Angebote mitgenommen, die ThEx und Co. zu bieten hatten (lacht). So konnten wir uns frühzeitig ein Netzwerk aufbauen. Diese persönlichen Kontakte haben uns später geholfen, die Finanzierungsrunde anzuschieben, trotz Pandemie und entsprechenden Einschränkungen. Für uns war auch beispielsweise das TRIP-Programm der STIFT sehr interessant. Dazu gehört der Pitch auf den Investor Days in Erfurt, den wir zum Abschluss der TRIP-Reise ein zweites Mal halten durften. Auf diesem Event haben wir tatsächlich schon 2019 unseren privatwirtschaftlichen Investor kennengelernt.

Über die Thüringer Aufbaubank haben wir außerdem die sogenannte Beratungsrichtlinie in Anspruch genommen. Als kleines Unternehmen nimmt man in der Regel kaum Beratung in Anspruch, auch wenn sie einen deutlichen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens leisten kann. Daher ist die Förderung eine tolle Sache. Wir haben dadurch gelernt, wie wir unsere Ansprache noch kundenorientierter gestalten können und vieles mehr.

Unseren Laborleiter haben wir über die Richtlinie „FTI-Thüringen PERSONEN“ zur Neueinstellung von innovativem Personal gewinnen können. Das wäre ohne Förderung nicht möglich gewesen – beziehungsweise hätten wir es erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich machen können. Er ist bis heute bei uns im Unternehmen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Produktionsskalierung und Entwicklung unserer Additive; und so soll es ja auch sein. Erst im letzten Jahr haben wir darüber hinaus über die Außenwirtschaftsförderung die Möglichkeit der Kontaktanbahnung genutzt und auf einer Reise in Italien wichtige Kontakte geknüpft. Ebenso wie bei dem Besuch der „Fakuma“ in Friedrichshafen als Erstausteller, der uns ohne die Förderung kaum möglich gewesen wäre.

Viktoria Rothleitner entwickelt und produziert mit ihrem jungen Unternehmen Polytives hochwertige Kunststoffadditive.

Man kann sich das bei unseren Additiven wie eine Backmischung vorstellen – statt Backpulver nutzt man Mehl, das molekular anders aufgebaut ist. So kann ich Mehl mit Mehl verarbeiten. Oder eben: Kunststoff mit Kunststoff.

– Viktoria Rothleitner, Polytives GmbH

Sie entwickeln und produzieren hochwertige Kunststoffadditive. Was bedeutet das?

Kunststoff wird tonnenweise produziert. Die Kritik daran – etwa an Einweggeschirr und Co. – ist natürlich berechtigt. In manchen Branchen, wie der Medizin oder in der Automotive Branche, wird man es aber nicht ersetzen können und hier leistet Kunststoff auch einen entscheidenden Beitrag zum Einsparen von CO2, etwa durch das Ermöglichen innovativer Lösungen. Daher treibt uns die Frage an, wie wir Kunststoff besser machen können. Wir arbeiten auf molekularer Ebene mit dem sogenannten Polymer. Die Einzelteile, aus denen Kunststoff aufgebaut sind, stecken normalerweise auf einer Kette zusammen. Polytives macht daraus keine Kette, sondern eher eine Baum-Struktur. Dadurch erhält der Kunststoff andere Eigenschaften und man kann ihn als Verarbeitungshilfe in der Kunststoffteilerzeugung nutzen. Denn kaum ein Kunststoff wird ohne die sogenannten Additive verarbeitet – sie verleihen beispielsweise Stabilität, Farbe oder Dehnbarkeit.

Man kann sich das bei unseren Additiven wie eine Backmischung vorstellen – statt Backpulver nutzt man Mehl, das molekular anders aufgebaut ist. So kann ich Mehl mit Mehl verarbeiten. Oder eben: Kunststoff mit Kunststoff.

Welche Vorteile hat das?

Wir produzieren u. a. einen sogenannten Fließverbesserer. Wenn ich zum Beispiel einen Gartenstuhl herstellen möchte, nehme ich ein Kunststoffgranulat und gebe einige Prozent von unserem Polytives-Additiv hinzu. Damit lässt sich die Viskosität (Zähflüssigkeit) massiv senken, was entlang der Produktionskette verschiedene Vorteile bringt: Am Anfang des Prozesses befindet sich eine Art Trichter. Hier kommt das Granulat hinein und wird aufgeschmolzen. Wenn die Masse dabei weniger zähflüssig ist, wird an dieser Stelle auch weniger Energie verbraucht. Aus dickflüssigem Honig wird sozusagen ein feiner Sirup. Ich kann außerdem den nötigen Druck reduzieren, was ebenfalls Energie einspart. Im Anschluss wird die Masse in die Form gefüllt, was natürlich auch besser funktioniert, je flüssiger diese ist. Und abschließend ist auch im Abkühlungsprozess weniger Energie notwendig, um die zugeführte Wärme wieder zu entziehen. Je nach Prozess können die Kunden filigranere Teile produzieren oder andere Stoffe einarbeiten, die beim herkömmlichen Herstellungsverfahren mit den entsprechenden Temperaturen andernfalls verbrennen würden. Es ist schlichtweg abgefahren, was aus Kunststoff für innovative Dinge hergestellt werden können und wir leisten einen Beitrag, das noch besser und effizienter bewerkstelligen zu können.

Was ist Ihre Vision für die Zukunft?

Es sollte kein Kunststoff mehr ohne eines unserer Additive hergestellt werden. Denn in dem Moment, indem das Additiv zum Einsatz kommt, wird das Produkt energieeffizienter und damit nachhaltiger hergestellt. Beziehungsweise seine Herstellbarkeit überhaupt erst ermöglicht.

Ein großer Meilenstein auf dem Weg dorthin war zuletzt unser Umzug zur späteren Produktionsstätte in Rudolstadt-Schwarza, im Herbst 2023. Hierhin haben wir nun im Januar auch unseren Firmensitz verlegt. Das ist eine große Sache für uns, denn so kurz nach der Gründung beschäftigen wir acht Mitarbeitende und betreiben bald auch unsere eigene Anlage, die „Kunststoff made in Thüringen“ produziert. Darauf sind wir stolz. Wir haben noch viele Ideen, wollen wachsen und weitere Arbeitsplätze schaffen.

Stichwort „Frauen in der Kunststoffbranche“: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Die Erfahrungen sind sehr divers. Viele begegnen mir doch recht skeptisch, bis sie merken, dass sie durchaus inhaltlich mit mir diskutieren können. Viele sind sofort sehr offen und freuen sich schlicht über ein neues Gesicht, in einer Branche, in der sich – wenn auch nur gefühlt – fast jeder kennt. Mir persönlich machen skeptische Reaktionen nicht mehr so viel aus, aber dass ich als Frau eine Ausnahme darstelle, steht außer Frage. Und dass das auch wahrgenommen wird, ebenso. Wichtig ist in diesem Kontext, dass die Türen für Frauen geöffnet werden, nicht nur der Höflichkeit halber (lacht). Und dass die Türen dann auch offen bleiben. Uns ist meines Erachtens schließlich allen bewusst, wie wichtig es ist, dass auch Frauen „mit am Tisch sitzen“. Das darin liegende Potenzial ungenutzt zu lassen, können wir uns nicht (mehr) leisten.

Sie öffnen die Türen für nachfolgende Generationen. Was würden Sie anderen Gründerinnen raten?

Ich hoffe sehr, dass ich das tatsächlich tue. Meines Erachtens gibt es zwei große Ansatzpunkte, um die bildlich gesprochenen Türen zu öffnen. Zum einen das Erzählen von Erfolgsgeschichten – aber auch der Misserfolge und dass danach die Welt nicht untergegangen ist. Zum anderen das Zeigen von Role-Models als Teil dieser Geschichten, „die Menschen dahinter“ quasi. Nicht zuletzt seit dem Siegeszug von Instagram und dort geschalteter Werbung ist ziemlich klar, dass wir uns gern mit Menschen identifizieren, die gute Stories in die Welt tragen.

Daraus ergibt sich der Rat: In der Story einer jeder Gründerin und eines jeden Gründers steckt immer auch die Botschaft: „Du kannst das auch!“ Wenn du für etwas brennst, davon überzeugt bist und der Mehrwert für dich auf der Hand liegt: go for it! Triff mutig Entscheidungen und sieh, wohin dich das führen kann.

Wir bleiben dran! Vielen Dank für das Gespräch!

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