"Ich wechsele ständig zwischen Krawatte und Gummistiefeln"

#TABinterview mit Matthias Wierlacher

Perspektivwechsel: Das #TABinterview führt dieses Mal das Triple A Wirtschaftsmagazin mit Matthias Wierlacher. Unser Vorstandsvorsitzender spricht über 20 Jahre Vorstand und 30 Jahre Wirtschaftsförderung im Freistaat, Anfang Oktober 1992 begann die Thüringer Aufbaubank (TAB) ihre Arbeit mit fünf Mitarbeitern. Damals liest man in der Leistungsbeschreibung für die Aufbaubank noch vom Auftrag, Abbau- und Umbauprozesse zu mildern. Die Bank und ihre Aufgaben sowie Herausforderungen sind schnell gewachsen: Bereits Ende 1993 beschäftigt sie 74 Mitarbeiter, heute sind es knapp 500.

Matthias Wierlacher über 20 Jahre Vorstand und 30 Jahre Wirtschaftsförderung im Freistaat

Welche geld- und kreditbezogene Dienstleistungen gehören heute zur Thüringer Aufbaubank?

Wir haben Zuschüsse, Darlehen, Bürgschaften, Beteiligung und vor allen Dingen Beratung inmitten unseres großen Netzwerkes.

Wer kann das Förderangebot in Anspruch nehmen?

Eigentlich alle! Alle, die in Thüringen leben oder ihren Unternehmenssitz hier haben. Es gibt attraktive Förderungen für Privatpersonen, insbesondere im Bereich von Photovoltaik-Anlagen, aber auch Elektromobilität oder Lastenräder. In den aktuellen Zeiten nimmt der Wandel der Mobilität und die Frage, woher unsere Energie stammt, schließlich eine neue Bedeutung ein. Für Geschäftsleute im Freistaat sind wir eine wichtige Anlaufstelle, egal ob es um Förderung oder die Finanzierung eines Vorhabens geht. Für Gründerinnen und Gründer werden in Thüringen mit ThEX, bm|t und Co. wichtige Synergien geschaffen, um ein attraktives Gründungsland Thüringen voranzutreiben. Und eine ganz wichtige Zielgruppe möchte ich nicht unerwähnt lassen: Seit 2020 beraten wir Kommunen und helfen ihnen zum Beispiel bei der Planung eines neuen Kindergartens oder Freibads in Sachen Wirtschaftlichkeitsanalyse oder Nachhaltigkeit.

Welche Förderprogramme gibt es?

Suchen Sie sich eins der 70 Förderprogramme aus. Wie schon gesagt, Sie wollen sich für Ihr Unternehmen oder als Freiberuflerin ein E-Auto anschaffen oder privat ganz und gar auf das Lastenfahrrad umsteigen? Der Freistaat unterstützt dabei. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Förderprogramme für Unternehmen, die permanent an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden, um am Puls der Zeit zu sein. Mit dem Digitalbonus Thüringen werden kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützt. Parallel geht es darum, mit unseren Programmen die Nachhaltigkeit von Vorhaben oder das Forschungs- und Entwicklungsland Thüringen voranzutreiben. Ein großes Thema im Freistaat ist auch, die vielen Unternehmensnachfolgen zu begleiten und wichtige Anreize setzen, um die Start-up-Szene zu festigen. Nicht zu vergessen sind die Investitionen in die Zukunft der Landwirtschaft, denn Thüringen ist auch sehr stark ländlich geprägt.

Seit 20 Jahren sind Sie im Amt. Was hat Sie damals an diesem Amt gereizt?

Ich war damals 38 Jahre alt und zählte zu den jüngsten Vorstandsvorsitzenden einer Bank, vielleicht auch zu den Gutgläubigsten (lacht). Denn ein paar Jahre zuvor, das war 1998, drohte die BaFin die Thüringer Aufbaubank zu schließen. Selbst vier Jahre später lagen bei meinem Amtsantritt sehr viele Rettungsmanöver auf meinem Schreibtisch. Die Prozess- und Personalstrukturen galt es zu stabilisieren und Gewinne zu sichern. Kurzum, diese Aufbauarbeit in der Aufbaubank selbst hat mich ungemein herausgefordert. Heute bin ich sehr stolz darauf, dass ich mit meinem Team die Thüringer Aufbaubank zu dem zentralen Instrument der Wirtschaftsförderung etabliert habe.

Den Beruf „Vorstand“ kann man nicht erlernen: Wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Von der Pike auf. Begonnen als Trainee im Firmenkundengeschäft bei der Bayerischen Vereinsbank über Vorstandsassistenz, Großkundenbetreuung bis hin zum Niederlassungsleiter in Thüringen. Dann wurde ich Vorstandsmitglied der Deutschen Effecten- und Wechsel-Beteiligungsgesellschaft AG in Jena, bis ich 2002 zum Vorstandsvorsitzenden der Aufbaubank ernannt worden bin. Parallel dazu bin ich Aufsichtsratschef der Jenoptik. Im Jahr 2016 hat sich der Freistaat dort eingekauft, um den Bestand des Großunternehmens zu sichern. Denn große Firmen wirken weit in die Region hinein.

Wie würden Sie Ihren Job, in einfachen Sätzen, beschreiben?

Ich bin Wirtschaftsförderer, aber vor allen Dingen Banker. Aber nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Landwirtschaft und Häuslebauer oder für den Umweltschutz und Start-ups hier in Thüringen.

Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich bin kein klassischer Schreibtischarbeiter. Ganz im Gegenteil, ich bin viel mit dem Auto unterwegs, besuche die Unternehmen und wechsle dabei ständig zwischen Krawatte und Gummistiefeln. Damit kenne ich Thüringen wie meine Westentasche. Mein zweites Zuhause, neben der TAB (lacht), ist der Wald. Mindestens genauso lange wie als Vorstandsvorsitzender der TAB engagiere ich mich als Landvorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ehrenamtlich. Im Wald finde ich meine innere Einkehr.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Thüringen in den letzten 20 Jahren?

In Thüringen dominieren eindeutig die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Auch wenn viele es anders sehen, bin ich wiederum überzeugt, dass unsere kleinteilige Wirtschaft kein Nachteil ist. So wie sich der weltweite Aufschwung hier verzögert und abgeschwächt in der Thüringer Wirtschaft ankommt, so langsam sind auch ihre Abschwünge, erst recht in Krisenzeiten. Das ist unsere Stärke. Die positive Entwicklung der Thüringer Wirtschaft wären ohne Förderprogramme, wie beispielsweise dem GRW-Programm, nicht möglich gewesen. Seit 2015 sind über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", kurz GRW, fast eine Milliarde Euro geflossen. Wir haben in den letzten 20 Jahren in einigen Bereichen der Industrie - Metallbau, Automotive, Optik - extrem aufgeholt. Gleichzeit ist noch viel zu tun. Unsere Aufgabe als TAB ist es, die Thüringer Ministerien bei maßgeschneiderten Förderprogrammen zu unterstützen.

An welchen Moment erinnern Sie sich gerne zurück, wenn Sie an Ihre Tätigkeit in der Vorstandschaft der Thüringer Aufbaubank denken?

Es gibt zwei, die mir spontan einfallen. Zum einen ist das die Gründung der bm|t, denn so gelang es uns, das stark zerfranste Beteiligungsgeschäft im Freistaat zu bündeln und jedes Jahr aufs Neue Rekorde bei den Beteiligungen zu erzielen, selbst in einer Corona-Krise. 140 Millionen Euro an Investments allein im Jahr 2021 konnten wir für innovative Firmen hier im Freistaat generieren. Der zweite Moment - so kurios es auch klingen mag - ist die Pandemie-Zeit. Es war die größte Herausforderung für uns als Bank. Die Flut an Förderanträgen und die Summe der Wirtschaftshilfen sind in den 30 Jahren Thüringer Aufbaubank einmalig. Seit März 2020 gingen über 150.000 Anträge über den Tisch der TAB und 1 Milliarde Euro Corona-Hilfen wurden ausgezahlt. Diese gewaltige Aufgabe wurde von der gesamten Bank zusätzlich zum „normalen“ Fördergeschäft, teilweise an Wochenenden und Feiertagen, gestemmt. Ich bin stolz, wie wir diese Aufgabe bewältigen konnten.

Das Interview ist im Triple A Wirtschaftsmagazin erschienen.

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