Heyfair GmbH

„Die Pandemie hätte ein Hygieneunternehmen in die Knie gezwungen.“

Das #TABinterview mit Alexander Döpel

Alexander Döpel

Robert Hellmundt und Alexander Döpel machen Händehygiene sichtbar. Was in Zeiten einer Pandemie wie der Sechser im Lotto klingt, war für die zwei Gründer der Heyfair GmbH ein Kampf um das Bestehen ihres Unternehmens. Im #TABinterview sprechen wir mit Alexander Döpel über Meilensteine der Gründung und die Herausforderungen der Corona-Krise.

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Wie ging es los?

Robert und ich haben 2008 gemeinsam an der Bauhaus-Universität Weimar begonnen, visuelle Kommunikation und visuelle Kulturen zu studieren und in den Semestern bis zum Master gemeinsame Projekte gestemmt. Im Laufe der Zeit haben wir unseren Fokus auf die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit von Produkten und Dienstleistungen gelegt. Wir haben uns hauptsächlich Probleme fernab unseres eigentlichen Tätigkeitsfeld angesehen und überprüft, wie wir diese mit Mitteln der visuellen Kommunikation verbinden können.

Das waren Problemstellungen aus verschiedenen Gewerken: Urbanistik, Architektur, aber auch Herausforderungen im Produktdesign oder eben im Bereich Hygiene. Solche Fragestellungen stellen sich sonst nur Menschen, die unmittelbar mit dem Problem zu tun haben. Und das führt meist zu gleichen Lösungsansätzen. Die interdisziplinäre Arbeit führte hingegen immer wieder zu recht innovativen Lösungen.

Wie sind Sie auf die Händehygiene gekommen?

Wir haben festgestellt, dass viele Menschen rund um den Globus die Händedesinfektion falsch ausführen – was zahlreiche Studien belegen. Und wenn ein – scheinbar banaler – Prozess, wie die Händehygiene, von so vielen Menschen nicht beherrscht wird, dann war das für uns ein Indiz dafür, dass das Problem nicht an den Menschen, sondern am Produkt liegen muss. In diesem Moment war die Idee geboren: Wir machen den Prozess der Händehygiene einfach für jeden Anwender sichtbar. Ohne fachliche Expertise im Bereich der Chemie war es uns wichtig, erst mal Beratung einzuholen. Also sind wir zur Gründerwerkstatt der Uni gegangen, dem neudeli.

Wie konnte die Gründerwerkstatt unterstützen?

Die Gründerwerkstatt hat uns wirklich geholfen, unsere Idee zu strukturieren, aber auch gezeigt, welche Schritte notwendig sind und was uns in dieser „Vorgründungszeit“ erwartet. Das neudeli hat uns außerdem ein umfassendes Netzwerk zur Verfügung gestellt – mit Beratung und Expertise von Fachleuten. Unsere wichtigste Erkenntnis: Um die Idee auf solide Beine zu stellen, brauchten wir eine Machbarkeitsstudie.

Wie wird eine Machbarkeitsstudie durchgeführt?

Wir haben ein Unternehmen aus Jena kontaktiert und denen von unserer Idee erzählt. Ein halbes Jahr später hatten wir dann das positive Ergebnis, was uns belegt hat: Unsere Idee ist in der Praxis umsetzbar. Von dieser Studie beflügelt sind wir 2015 in das neudeli-Fellowship-Programm aufgenommen worden.

Wie haben Stipendien unterstützt?

Über das Fellowship erhielten wir etwas Geld und vor allem Zugang zum Gründernetzwerk in Thüringen. Dadurch sind wir erstmals mit der TAB und der bm|t in Kontakt gekommen. Wir konnten die ersten Schritte in Richtung Patentierbarkeit gehen, denn aus diesem Stipendium hatten wir das Kapital für den Patentanwalt. Das war dann letztlich wieder der treibende Stein, um in das EXIST-Gründungsstipendium zu gehen. Dafür hatten wir uns Ende 2015 beworben und anschließend auch den Zuschlag bekommen. 2016 haben wir unser Team mit zwei Chemikern verstärkt und konnten in die erste Entwicklungsphase gehen.

Wann gab es den ersten Prototypen?

2017 hatten wir bereits die unterschiedlichsten Prototypen entwickelt. Das war mit diversen Problemen verbunden, schließlich arbeiteten wir an einem Produkt, was tagtäglich zigmal in der Praxis verwendet wird und somit zahlreichen Regularien unterworfen ist. Wir haben zahlreiche Ideen und Konzepte wieder verworfen, weil sie einfach nicht praxistauglich gewesen wären. Im September 2017 haben wir uns schlussendlich dazu entschlossen als GmbH zu gründen, denn der Glaube an die Idee war trotz zahlreicher Rückschläge in der Entwicklung ungebrochen.

Wie verlief die Markteinführung?

Im April 2019 haben wir unser erstes Produkt eingeführt. Das war allerdings nicht unser reguläres Desinfektionsmittel, denn daran haben wir zu diesem Zeitpunkt noch geforscht, sondern ein Schulungsprodukt zum Training der korrekten Händedesinfektion, welches dem Grundprinzip des regulären Desinfektionsmittels folgt. Wir haben das Schulungsprodukt DesiCoach genutzt, um den Markt zu evaluieren. Unsere Zielgruppe für dieses Produkt ist medizinisches Personal und Pflegepersonal in Kranken- und Pflegeeinrichtungen, die laut Vorgaben des RKI jährlich im Umgang mit Händedesinfektionsmittel geschult werden müssen.

Welche Vorteile bringt Ihr Produkt der Pflegebranche?

Bei diesen Zielgruppen mangelt es enorm an Zeit. Die praktische Unterweisung dauert pro Person ca. fünf bis zehn Minuten. Man kann also hochrechnen, was das für ein größeres Klinikum mit 5.000 bis 8.000 Angestellten bedeutet. Und dieses Problem wollten wir mit DesiCoach lösen. Das Produkt macht in kurzer Zeit deutlich, wo es individuelle Defizite bei der Händedesinfektion gibt und sorgt gleichzeitig für ein nachhaltiges Problembewusstsein. Mit diesem Konzept stießen wir auf positive Resonanz und konnten uns bereits in der DACH-Region einen Namen bei Anwendern für Händehygiene machen.

Alexander Döpel

Wir sind gewachsen, verzeichneten steigende Verkaufszahlen und der Absatz ging nach oben – genau in diesem Moment hat die Pandemie voll zugeschlagen. Niemand wusste zum damaligen Zeitpunkt, wie es weitergeht. Die Kliniken haben alles dicht gemacht, Schulungen wurden ausgesetzt und alle Gespräche lagen auf Eis. Was ja auch nachvollziehbar ist, aber für uns war es extrem bitter. Schließlich hatten wir mit diesem Schulungsprodukt wirklich einen Nerv getroffen.

– Alexander Döpel

Was hat die Corona-Pandemie mit Ihnen gemacht?

Wir sind gewachsen, verzeichneten steigende Verkaufszahlen und der Absatz ging nach oben – genau in diesem Moment hat die Pandemie voll zugeschlagen. Niemand wusste zum damaligen Zeitpunkt, wie es weitergeht. Die Kliniken haben alles dicht gemacht, Schulungen wurden ausgesetzt und alle Gespräche lagen auf Eis. Was ja auch nachvollziehbar ist, aber für uns war es extrem bitter. Schließlich hatten wir mit diesem Schulungsprodukt wirklich einen Nerv getroffen.

Wie haben Sie auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie reagiert?

Wir mussten etwas tun und haben uns schlussendlich dazu entschieden mit einem neuen Produkt in einen anderen Markt zu gehen – VisiSoap, eine sichtbare Seife. Das Konzept für diese Anwendung hatten wir bereits 2015 im Businessplan aufgeführt und uns aufgrund der äußeren Umstände entschlossen, den Markt mit diesem Produkt zu betreten.

Wie „einfach“ ist es denn die Produktion so kurzfristig umzustellen?

Also einfach ist es nicht, aber die Notwendigkeit hat uns angetrieben, denn aus der damaligen Perspektive war es die beste Entscheidung. Sicherlich gab es auch Bedenken im Team, denn die Produktentwicklung kann auch mehrere Jahre dauern und ob das Produkt überhaupt skalierbar ist stand zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht fest. Aber wir mussten uns etwas einfallen lassen, ansonsten hätte die Pandemie ein Hygieneunternehmen in die Knie gezwungen, was völlig kurios ist.

Wann war das neue Produkt marktreif?

Innerhalb von sechs Monaten hatten wir die Seife so weiterentwickelt, dass sie in großer Stückzahl produziert und abgefüllt werden konnte. Beschleunigt wurde der Entwicklungsprozess dadurch, dass wir auf Forschungsergebnisse des Schulungsproduktes zurückgreifen konnten. Im August 2021 haben wir das Produkt gelauncht. Wir sind auf die Gastronomie zugegangen, die Lebensmittelindustrie und auf Arbeitsschutzbeauftragte in Unternehmen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Seife auch für Endanwender interessant ist und somit auch ein tolles Produkt für Kinder!

Wie kam die Seife bei Kindern an?

Am 15. Oktober ist der internationale Tag des Händewaschens. Wir haben uns eine Aktion überlegt und wollten allen Kindergärten in Jena die Möglichkeit geben, an diesem Tag das Thema „Händewaschen“ spielerisch zu vermitteln. Das war ein Herzensprojekt über das auch die lokale Presse berichtet hat. In relativ kurzer Zeit haben wir dann Kita-Anfragen aus ganz Deutschland bekommen, sodass wir zuletzt rund 16.000 Kindern deutschlandweit einen solchen Aktionstag ermöglicht haben.

Das war verrückt, denn dadurch ist wiederum der Einzelhandel auf unser Produkt aufmerksam geworden und wir haben es letztendlich bundesweit in die Regale diverser Edekas und Globus-Märkte geschafft. Vom Launch in die Kitas, zu den Familien nach Hause und in die Unternehmen hinein: Das war in der kurzen Zeit wirklich bemerkenswert.

Was steht demnächst bei Ihnen an?

Da wir in verschiedenen Bereichen unterwegs sind, gibt es ganz unterschiedliche Ziele. Wir wollen mit unserer Seife weiter verstärkt in den Einzelhandel. Gleichzeitig fokussieren wir den B2B-Markt, in dem Händehygiene eine große Rolle spielt. Aber auch die Internationalisierung treiben wir voran.

Eines unserer wichtigsten Projekte ist aktuell die Einführung einer neuen Produktversion unseres Schulungsproduktes für die Händedesinfektion: eine To-Go-Variante von DesiCoach. Diese Version spart nicht nur mehr Zeit, sondern macht das praktische Training der korrekten Händedesinfektion auch dann möglich, wenn Schulungen nur online stattfinden können. Angebunden an eine digitale Plattform ermöglichen wir Hygienikern eine einfache Auswertung der Schulungsergebnisse zur Optimierung der Compliance. So kann das Qualitätsmanagement in Kliniken auf ein neues Niveau gehoben werden.

Ihr persönliches Fazit zu Corona – Türstopper oder Treiber für Neues?

Es war interessant für uns zu sehen, wie aus so einer Krise eben doch Innovationen entstehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Alexander Döpel über das Gründungsland Thüringen

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