Forschung Eggeling

„Krebszelle ist nicht gleich Krebszelle“

Das #TABinterview mit Prof. Dr. Ferdinand von Eggeling

Forschung Eggeling

Für das #TABinterview fahren wir zur HNO-Klinik des Universitätsklinikums Jena, um Prof. Dr. Ferdinand von Eggeling zu treffen. Der Wissenschaftler betreut das neue Laser-Mikrodissektions-System. Damit kann das Team des UKJ Gewebeproben, wie Tumore, zellgenau ausschneiden und analysieren. Denn Krebszelle ist nicht gleich Krebszelle. Mit Prof. Dr. von Eggeling sprechen wir über Einsatzfelder und Funktionsweise des neuen Systems.

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Woher kommt Ihre Leidenschaft für dieses Thema?

Ich habe zwar Biologie studiert, aber ich habe mich schon in meiner Diplomarbeit mehr in die Medizin ausgerichtet. Mich hat immer der Dreiklang aus Biologie, Medizin und Technik interessiert. So kam es, dass ich immer gerne mit innovativen technischen Verfahren gearbeitet habe. Während meiner Promotion 1993 bin ich nach Jena gekommen und habe dann über 20 Jahre in der Humangenetik gearbeitet. Damals haben wir uns schon mit Mikrodissektion und Tumoren beschäftigt.

Was bedeutet Mikrodissektion?

Um Gewebe zu analysieren, hat man früher ganze Organismen oder Organe zermörsert und analysiert. Durch einen Kollegen aus der Pathologie haben wir aber damals schon erkannt, dass dieses Vorgehen wenig Sinn macht, schließlich sind Menschen dreidimensionale Lebewesen. Das heißt, es ist sehr wichtig, woher man das Material gewinnt, um es dann genomisch oder proteomisch zu untersuchen. Die Gesamtheit der DNA, das Genom, ist der Schnittmusterbogen, das Proteom sind alle hergestellten Proteine, also das, was aus der DNA gemacht wird, um im Bild zu bleiben: was wirklich daraus genäht wird. Damals war die Genomik noch viel stärker ausgeprägt. Es gab die Hoffnung, dass man den Menschen nur einmal sequenzieren müssen, um alles über ihn zu wissen. Das hat sich natürlich als Trugschluss herausgestellt, denn Gene alleine machen keine Krankheiten aus, sondern die Art und Weise des Nähens – um bei diesem Beispiel zu bleiben. So rückte die Proteomik vor rund zehn Jahren mehr in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Und daraus haben sich eben gewisse Standardtechnologien entwickelt. Eine essentielle Technik für die Gewinnung von möglichst spezifischem Material für die weitere Analytik ist die Mikrodissektion.

Was braucht es für die Mikrodissektion?

Wir brauchen in der Mikrodissektion immer Gewebeschnitte. Dazu verwenden wir frisches OP-Material, was in der Regel bereits im OP schockgefrostet wird. Das Material wird anschließend bei minus 80 Grad in unserer Tiefkühltruhe gelagert.

Wie groß ist so eine Probe?

Das entspricht ungefähr einem Würfel von 0,5 bis 1 cm Kantenlänge, kann aber auch deutlich kleiner sein. Dieses eingefrorene Stückchen kann man dann schneiden wie mit einem Käsehobel. Man erhält dann ganz dünne Schnitte, die ungefähr 10 Mikrometer dünn sind. Diese Schnitte werden auf einem Glasobjektträger aufgesetzt und damit gehen wir an das Laser-Mikrodissektions-System.

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Wie läuft die Anschaffung für so ein Gerät ab? Und wie konnte die TAB dabei unterstützen?

Innerhalb des Universitätsklinikums Jena gibt es eine Vorauswahl, welche Anschaffungen für einen Förderantrag eingereicht werden sollen, da wir leider nur eine begrenzte Anzahl an Anträgen einreichen dürfen. Wenn man sich hier durchsetzt, muss man noch die Gutachter der TAB überzeugen und kann das Gerät nach einer Europäischen Ausschreibung beschaffen. Dieser gesamte Prozess hat insgesamt anderthalb Jahre gedauert, was ziemlich schnell ist.

Für welches System haben Sie sich entschieden?

Im Vorfeld haben wir schon verschiedene Firmen besucht, um deren Geräte zu testen. Im Prinzip ist es so wie beim Autokauf: Es gibt viele gute Autos. Uns hat im Rahmen des regulären Ausschreibungsprozesses letztlich das System der Firma Zeiss überzeugt. Das System wurde von der Thüringer Aufbaubank mit rund 300.000 Euro gefördert.

Wie funktioniert das neu implementierte Laser-Mikrodissektions-System?

Ich kann am Computer in 400-facher Vergrößerung anzeichnen, welche Gewebeareale ich aus dem Schnitt ausschneiden will. Der Laser schneidet das aus und man erhält wirklich das Stück Probe, was auch interessant ist. Ich kann auch festlegen, welches Stück der Probe ich in welchem Reaktionsgefäß haben möchte. Das wird dann durch ein Mikroplasma in verschiedene Reaktionsgefäße hochkatapultiert, die dann in die weitere Analytik gehen – in die Hochdurchsatzsequenzierung für die Genomanalyse oder für die Proteomik in die Massenspektrometrie. Das funktioniert prinzipiell alles automatisiert.

Was in der Theorie einfach klingt, gestaltet sich in der Praxis aber schon deutlich schwieriger, da sich jedes Gewebe anders verhält. Brustkrebsgewebe weist zum Beispiel einen hohen Fettanteil auf, da muss ich anders schneiden als bei einem Leberkarzinom. Das sind alles Erfahrungswerte, die man an jedem Schnitt erst mal probieren muss.

In welchen Feldern kommt das System zum Einsatz?

Mikrodissektion dient der klinischen Grundlagenforschung. Die Technik ist zu aufwändig, um sie aktuell im medizinischen Alltag einzusetzen. Wir nutzen es zu 90 Prozent für die Onkologie. Es lässt sich aber auch in allen anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Alzheimer-Forschung einsetzen.

Welche Vorteile bringt das System perspektivisch für Patient*innen?

Ich sage immer, dass es in der Onkologie zwei wichtige Sachen gibt. Zum einen ist Früherkennung ganz, ganz wichtig. Denn Krebs im ersten Stadium kann man zu fast 100 Prozent heilen, während die Chancen im vierten Stadium gegen Null gehen. In den letzten 20 Jahren wurde neben deutlich verbesserten bildgebenden Verfahren immer wieder versucht, über „Liquid Biopsy“, also über eine Blutentnahme, eine Krebserkrankung frühzeitig über spezifische Marker zu entdecken. Über Mikrodissektion können solche Marker im Gewebe definiert und dann mit hoch sensitiven Markern im Blut nachgewiesen werden.

Was ist die zweite Einsatzmöglichkeit in der Behandlung von Krebspatient*innen?

Eine zweite Einsatzmöglichkeit schielt in Richtung der Diagnose. Inzwischen weiß man, dass der Tumor eines Menschen sehr individuell ist. Krebszelle ist nicht gleich Krebszelle. Man muss also den individuellen Tumor genomisch und proteomisch genau kennen, um ihn effektiv zu bekämpfen. Dazu müssen über Mikrodissektion genau die relevanten Zellen ausgeschnitten und analysiert werden. Mikrodissektion ist da sicher nicht die alleinige Lösung, sondern ein Hilfsmittel, um die Tumorzelle zu charakterisieren. Das steckt aber noch so in den Anfängen. Man wird sehen, wie sich diese Technik hier einreihen wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weiterführende Informationen:
apl. Prof. Dr. Ferdinand von Eggeling
AG MALDI Imaging
, HNO-Klinik, Universitätsklinikum Jena

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