Die HS Industrie Service GmbH mit dem Sitz in Nordhausen und Gotha behauptet sich seit 1991 erfolgreich am Markt. Neben dem üblichen Handelsgeschäft in den drei Kernbereichen Hydraulik, Pneumatik und Industrietechnik, bieten die Firma auch diverse Dienstleistungen rund um diese Themen an. 1991 wurde mit der Konfektionierung von Hydraulikschläuchen begonnen – m ittlerweile verfügt die HS Industrie Service GmbH über einen Artikelbestand von ca. 106.000 Artikeln.

In welchem Alter waren Sie das erste Mal im Unternehmen Ihres Vaters?
Eigentlich relativ früh. Das Unternehmen wurde kurz nach der Wende gegründet, da war ich elf. Und in den Ferien konnte ich mir dort immer etwas Geld dazuverdienen. Meine Eltern waren beide selbständig. Meine Mutter hatte einen Frisörsalon, da habe ich auch mal gearbeitet, das war aber nie meins. Ich war immer eher der Mensch für Zahlen und Wirtschaft.


Wann sind Sie als Geschäftsführerin ins Unternehmen eingestiegen?
Ich bin 2005 ins Unternehmen gekommen, und die Geschäftsführung übernahm ich 8 Jahre später. Meine Nachfolge lief absolut geplant und unproblematisch. Mein Vater hat mich gut auf den Weg gebracht. Als feststand, dass ich das Unternehmen übernehmen werde, haben wir uns eingegraben und ein Übergabekonzept gemacht. Das heißt, wir haben zusammen überlegt, wann ich was können muss, um das Unternehmen leiten zu können. Angefangen bei der Buchhaltung, über das ganze Kaufmännische, die Übernahme des Vertriebs, Personalangelegenheiten etc. Zwischendrin haben wir das dann auch mit Managementseminaren, eigener Kunden und Lieferantenverantwortung und ständigem Feedback gespickt. Dieser Plan, den wir damals entwickelt haben, den haben wir exakt so durchgezogen, wie es auf dem Papier stand. Für so eine Führungspersönlichkeit, wie meinen Vater, dem niemand zugetraut hätte, dass er sich so einfach von seinem Unternehmen lösen kann, eine wirklich große Sache. Aber er hat das einfach perfekt gemacht. Ich bin heute noch stolz auf ihn und dankbar dafür.
Er wurde dafür aber auch belohnt und durfte dann endlich auch mal wieder Privatmensch sein.




Ist Ihr Unternehmen ein klassisches Familienunternehmen?
Ja, richtig klassisch mit allem Drum und Dran indem wie wir es führen, und traditionell in seiner Entstehung. Wenn man ein oder gar mehrere Unternehmen in der Familie hat, dann ist man immer involviert. Beim Abendessen erzählt man sich nicht nur private, familiäre Dinge, sondern auch darüber, was in der Firma los ist. Was die Eltern erlebt haben, was sie beschäftigt hat. Und dann ist jedes Unternehmen automatisch ein Familienunternehmen, weil man als Kind schon ein kleiner Teil davon ist. Man bekommt das unternehmerische Denken quasi auf der Stulle serviert.

War von Anfang an klar, dass das Unternehmen in der Familie bleibt?
Nein - ein externer Verkauf war auf jeden Fall eine Option. Die Art und Weise, wie mein Vater die Übergabe angegangen ist, hat ihm, wie gesagt, keiner zugetraut.
Er war immer ein sehr bestimmender, starker Mensch. Er hat das Unternehmen über seine Autorität und Dominanz geführt. Menschen sind ihm immer gerne gefolgt, weil er wusste, was er wollte und trotzdem immer sehr fair war.
Ich habe damals eigentlich etwas ganz anderes gemacht. Ich habe in Leipzig Bankwirtschaft studiert und in Frankfurt gearbeitet. Bin dann aber durch eine Krankensituation wieder in die Heimat zurückgekommen und habe mich dort in meinen jetzigen Partner verliebt und bin geblieben. Irgendwann, als mein Vater 53 war, hat er gefragt: „Du, es sind jetzt noch 8 bis 10 Jahre, bis ich in Rente gehe, kannst Du Dir vorstellen, die Firma dann zu übernehmen?“
Wenn du als junge, blonde Frau in so ein Unternehmen kommst, dann ist das schon schwer genug, aber wenn du dann noch nicht mal eine Technikausbildung hast und die Tochter des Chefs bist, dann ist es eine echte Herausforderung. Du musst dich erstmal beweisen.


Macht es einen Unterschied, ob man als Frau oder als Mann ein Unternehmen übernimmt?
Eindeutig! Ich bin von meinen Eltern sehr gleichberechtigt erzogen worden, weil beide so auch leben. Meine Eltern haben immer darauf geachtet, dass ich mich mir meiner Stärken und Schwächen bewusst war und Fähigkeiten auch nutze- unabhängig von Mann oder Frau- sein. Aber viele Dinge sind in einer männerdominierten Welt einfach anders. Ich sage immer so spaßig, wenn ich auf eine Branchenveranstaltung gehe, dann sind da 100 Leute, davon sind 97 Männer und von den 3 Frau sehen 2 aus wie ein Mann.
Man hat es als Frau deutlich einfacher Kunden kennenzulernen, weil man aus der Masse sticht. Da geht es nicht darum, ob du schön bist oder nicht, du stichst heraus, weil du eine Frau bist. Aber dann, wenn du die Kunden kennst, musst du dich deutlich mehr beweisen, als jeder Mann. Dir traut man es nicht ohne weiteres zu, dass du dich in dem Bereich auskennen könntest. Das war eine Herausforderung, für die ich aber einfach bereit war. Innerhalb kürzester Zeit hat das aber dann keine Rolle mehr gespielt ob Mann oder Frau. Da zählt dann bei beiden Kompetenz, Fleiß und Fairness.




Was war für Sie bei der Übergabe besonders wichtig?
Die gute Vorbereitung, das er auch danach noch dagewesen wäre und der unbedingte Wille, sich permanent für und am Unternehmen weiter zu entwickeln. Und das ist auch heut noch so.
Eines ist als Tipp auch unbedingt erwähnenswert: wir sind beide sehr leidenschaftliche Menschen, und es wurde auch mal laut bei uns, aber wir hatten eine sehr wichtige Regel, die ich bis heute genial finde. Wir haben ganz klar das Privatleben und die Firma getrennt. Zu Hause waren wir nur Vater und Tochter und im Büro waren wir Kollegen. Wenn es zu Hause etwas Dienstliches zu regeln gab, sind wir 5 Minuten weg gegangen, haben das geklärt und dann waren wir wieder Vater und Tochter. Dieses strikte Trennen ist extrem wichtig. Und natürlich Ehrlichkeit und die Fähigkeit miteinander Klartext zu reden.

Wie war ihr erster Tag als Geschäftsführerin?
Er war nicht anders, als der Tag zuvor. Ich war fachlich gut vorbereitet, aber das ist ja nur die eine Seite. Die andere Seite ist das Team und auch dass sie die neue Führung bereits akzeptiert haben. In dem Moment, wo ich laut unserem Plan Personalverantwortung übernehmen sollte, hat mein Vater ganz klar zu den Mitarbeitern gesagt, dass jetzt nicht mehr er, sondern ich zuständig bin und sie zu mir kommen sollten. Und das hat schnell funktioniert. Es war also kein kalter Schnitt, sondern ein Prozess. Also war der Tag, wo wir es schwarz auf weiß hatten nichts Besonderes. Schwieriger war dabei der eigene Kopf, die Angst vor dem ungewissen und ob man das wirklich packt. Man hat die Verantwortung für die ganze Mannschaft und deren Familien. Aber ich hatte die Sicherheit ihn immer fragen zu können, das gibt Sicherheit. Obwohl ich es im Endeffekt gar nicht mehr brauchte, da ich schon gut ins Unternehmen gewachsen war.




Haben Sie einen Tipp für potentielle Nachfolgerinnen?
Im Grunde genommen, Mut haben! Das ist ganz wichtig. Man muss natürlich die fachlichen Grundlagen mitbringen, also ein solides Fundament. Aber dann gehört einfach ganz viel Mut dazu. Einfach machen, nicht zu viele Sorgen machen. Dinge ausprobieren und daran wachsen. Männern fällt das viel leichter, aber Frauen wollen immer alles ganz, ganz sicher haben. Und da würde ich mir einfach wünschen, dass es in unserer Gesellschaft mehr mutige Frauen gibt. Von ihrem Wissens- und Leistungsstand sind Frauen definitiv nicht schlechter, aber es gibt viel weniger Nachfolgerinnen und Gründerinnen, das muss sich ändern.
Außerdem sollten Gründerinnen sich Gleichgesinnte suchen, zum Beispiel im „Verband deutscher Unternehmerinnen“, ein tragfähiges, tolles Netzwerk mit einem starken Thüringer Landesverband. Oder beim Mentorinnen-Programm ThEx „Frauensache“. Da stehen viele tolle Unternehmerinnen und Entscheidungsträgerinnen, unter anderem auch ich, anderen Frauen, die Gründen oder eine Nachfolge antreten wollen, zur Seite. Ich merke immer wieder, wie wichtig es für junge Frauen ist, Unterstützung zu haben. Ich habe damals nach nichts gesucht, weil ich durch meine Eltern sehr gut versorgt war, aber ich merke heute, wie wichtig diese Unterstützung sein kann. Gerade für junge Frauen und gerade, wenn sie von ihren Vätern übernehmen. Da gibt es so viele Fallstricke und Dinge, wo man unterstützend zur Seite stehen kann, wo auch mal Trost oder ein guter Rat erforderlich ist. Da sollte jemand da sein, der auch mal zwischen den Zeilen liest, eine große Empathie hat und einfach für dich da ist.

HS Industrie Service GmbH
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