"Alles, was zuvor nur auf dem Papier stand, konnten wir auf die Straße bringen."

#TABinterview mit dem Gründungsteam von Dashbike

Wer häufiger mit dem Rad in der Stadt oder auf Landstraßen unterwegs ist kennt das Problem: Eng überholende oder knapp einscherende Autos führen zu Beinahe-Unfällen. Das Jenaer Start-up Dashfactory verspricht hier Abhilfe. Das Team um Lelia König und Sandro Beck hat die erste gesetzlich erlaubte Dashcam für Fahrräder entwickelt. Und das ist nicht alles: Ihre Vision ist es, Innenstädte fahrradfreundlicher zu gestalten, um dadurch mehr Menschen auf's Fahrrad zu bringen. Wie das gelingen soll und warum sich Gründen manchmal wie das Finale bei der Fußball-WM anfühlt, erzählen sie uns im #TABinterview.

Gründungsteam Dashfactory: Lelia König und Sandro Beck (im Bild: das Team auf einem belebten Platz vor einem Fahrrad stehend)

Dashfactory wurde im November 2019 von Lelia König und Sandro Beck gegründet. Als ehemalige Radprofis wussten sie genau, was im Straßenverkehr alles passieren kann und wie man dem gesetzeskonform begegnen könnte. Bei einem Pitch lernten sie Kevin Reeder von der bm|t kennen - der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit, die zur Gründung und am Ende zum erfolgreichen Marktstart führte.

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Wie kam es zur Idee für Dashbike?

Lelia König: "Als Gründungsteam von ehemals professionellen Radsportlerinnen und Radsportlern waren wir fast täglich auf dem Fahrrad unterwegs und mussten unzählige gefährliche Situationen erfahren. Neben mehrfachen Beinahe-Unfällen wurden wir auch öfters von Autos „abgeräumt“, glücklicherweise aber immer ohne größere Verletzungen und Schäden. Wir hatten schon länger die Idee, dass man hier etwas machen müsste. Am besten in Richtung Kamera, da die Autos nach dem Crash oder einem Beinahe-Unfall häufig nicht anhalten oder es auch gar nicht mitbekommen. Unsere größte Angst - und so geht es den meisten auf dem Fahrrad - ist der zu geringe Überholabstand. Als tatsächlich deshalb in unserem engen Umfeld ein Unfall mit Fahrerflucht passiert ist, war das der Auslöser, die Idee umzusetzen."

Wie sind Sie bei der Finanzierung vorgegangen?

Sandro Beck: "Etwas untypisch. Während unseres Studiums - passenderweise Sportmanagement und Rechtswissenschaften - hatten wir den nötigen Freiraum, um uns mit dem Problem intensiver zu beschäftigen. Mitte 2018 kam dann auch noch das höchstrichterliche Urteil des BGH, unter welchen Voraussetzungen Dashcams als Beweismittel verwendet werden können. So haben wir begonnen, die Idee aus dem Ansatz der Radfahrenden in Kombination mit der Rechtsprechung heraus konkreter zu machen. Die Idee fand regen Zuspruch, denn so gut wie alle, die regelmäßig Rad fahren, kennen das Problem. Wir haben uns deshalb relativ spontan entschieden, unsere Idee – damals im Konzeptstatus mit Patentanmeldung – auf der Gründerveranstaltung Technologie-Fight-Night bei ART-KON-TOR in Jena zu pitchen.

Auch dort wurde unsere Idee wieder sehr positiv aufgefasst und wir kamen direkt in Kontakt mit Kevin Reeder, dem Geschäftsführer unseres heutigen Lead-Investors, der bm-t. Von da an standen wir bis zur Gründung regelmäßig in Kontakt mit unserer heutigen Investment-Managerin Katja Butzmann und haben aus der Idee ein konkretes Geschäftsmodell entwickelt. Einige Menschen, besonders an der Universität, sind Venture Capital gegenüber etwas skeptisch. Wir jedoch sind mit der bm-t mehr als zufrieden und können uns keinen besseren Investor und Partner vorstellen.

Die herausragende, kontinuierliche Unterstützung der bm-t hat auch zur erfolgreichen Gründung beigetragen. Für uns war klar, dass wir am liebsten die bm-t als Investor hätten. Ein Jahr später, direkt einen Monat nach der GmbH-Gründung im November 2019, konnten wir die bm-t auch als Investor und weiteren Gesellschafter gewinnen.

Was war das größte Erfolgserlebnis im ersten Gründungsjahr?

Lelia König: "Das größte Erfolgserlebnis war neben der Gründung tatsächlich unser erstes Investment der bm-t. Durch das frische Kapital hatten wir die zur Umsetzung benötigten finanziellen Mittel und konnten endlich richtig loslegen. Alles, was zuvor nur auf dem Papier existierte, konnten wir nun auf die Straße bringen: Produktentwicklung, Entwicklungspartner, Produktion. Natürlich auch eine Freedom-to-operate (FTO), ein unabhängiges, uns bestätigendes Rechtsgutachten, Personal- und Teamaufbau. Auch das erste eigene Büro, wenn auch sehr spartanisch, und die ersten Geschäftspartner waren sehr motivierende Meilensteine für uns."

Gründungsteam Dashfactory: Lelia König und Sandro Beck (Gründungsteam auf einem belebten Platz in der Stadt, Lelia König schaut Sandro Beck an)

Wir sind mit der bm-t mehr als zufrieden und können uns keinen besseren Investor und Partner vorstellen. Die herausragende, kontinuierliche Unterstützung der bm-t hat auch zur erfolgreichen Gründung beigetragen.

– Sandro Beck, Gründer Dashfactory

Der erste Kunde/die erste Kundin – was war das für ein Gefühl?

Lelia König: "Wir hatten im Vorfeld mit sehr vielen Menschen über unsere Idee gesprochen, uns verschiedene Meinungen eingeholt und mit Personas typische Kundengruppen skizziert. Über eine Kontaktformular-Liste konnten wir recht schnell über 1.000 interessierte Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer für DASHBIKE begeistern. Die richtige Bestätigung, dass man etwas Tolles und auch für andere Menschen Relevantes erschaffen hat, bekommt man allerdings erst, wenn Leute auch bereit sind, für das neue Produkt ihr hart erarbeitetes Geld auszugeben. Umso schöner war es für uns, nach über zwei Jahren investierter Arbeit zu sehen, dass DASHBIKE auch bei den Menschen so ankommt, wie erwartet.

An dem Abend, als unsere Kickstarter-Kampagne live ging, und wir die ersten bezahlenden Kunden bekamen, saßen wir gemeinsam auf dem Balkon beim Grillen und haben gespannt die Umsatzentwicklung beobachtet. Das war für uns in etwa wie Public Viewing beim Finale der Fußball-WM."

Fahrradfahren und Corona – wie hat sich das ausgewirkt auf das eigene Geschäft?

Sandro Beck: "Kurzfristig negativ, mittel- und langfristig äußerst positiv. Das eigene Geschäft stand – wohl wie die meisten – erst einmal nahezu still. Schockstarre, alle haben abgewartet, was passiert, keiner konnte einschätzen, in welche Richtung das geht oder von welcher Dauer das sein wird. Durch Corona ging einer unserer Entwicklungspartner insolvent und für Entwicklung und Produktion benötigte Komponenten waren auf einmal nicht mehr lieferbar. Auch Veranstaltungen und Messen wurden kurzfristig abgesagt, was es uns extrem erschwert hat, Kontakte zu anderen Geschäftspartnern zu knüpfen.

Die positive Seite ist jedoch, dass viele Menschen das Fahrradfahren für sich entdeckt haben. Raus aus dem Auto oder der U-Bahn und rauf auf´s Rad, das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die eigene Gesundheit. Der Fahrradmarkt ist dadurch jedoch deutlich relevanter geworden und stark in neue Rekordhöhen gewachsen. Wer heute ein Fahrrad kaufen möchte, muss teilweise mit Lieferzeiten über 14 Monaten rechnen. Fahrräder, Verschleiß- und Ersatzteile sowie Zubehör sind allesamt Mangelware oder komplett ausverkauft.

Damit wächst nicht nur der Fahrradmarkt, sondern auch die Bedeutung des Fahrrads als Verkehrsmittel, besonders im städtischen Raum. Jeder erinnert sich wohl noch an die Pop-Up Bikelanes oder andere Verkehrsexperimente, die sehr gerne von den Radfahrenden angenommen wurden und werden. Diese beiden Trends spüren wir natürlich auch in unserem Geschäft. Auf der einen Seite ist es eine Herausforderung, die benötigten Komponenten in der entsprechenden Stückzahl zu bekommen, auf der anderen Seite freuen wir uns über die hohe Nachfrage nach unseren Produkten.

Als Radfahrerinnen und Radfahrer freuen wir uns aber ganz besonders, mehr Menschen auf dem Rad zu sehen."

Gründungsteam Dashfactory: Lelia König und Sandro Beck (im Bild Gründungsteam, Sandro Beck schaut Lelia König an)

An dem Abend, als unsere Kickstarter-Kampagne live ging, und wir die ersten bezahlenden Kunden bekamen, saßen wir gemeinsam auf dem Balkon beim Grillen und haben gespannt die Umsatzentwicklung beobachtet. Das war für uns in etwa wie Public Viewing beim Finale der Fußball-WM.

– Lelia König, Gründerin Dashfactory

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig? Was sind die Ziele?

Lelia König: "Der Kontakt zur Stadt Leipzig kam über unseren Start-Up-Accelerator SpinLab aus Leipzig zustande. Die Stadt Leipzig ist dort Partner und möchte ihren Radverkehrsanteil erhöhen. Haupt-Hindernisgrund, warum Menschen nicht mit dem Fahrrad fahren, ist die Unsicherheit oder Angst im Straßenverkehr. Um mehr Menschen dauerhaft aufs Rad zu bringen, ist es nötig, eine sichere und durchgehende Radinfrastruktur zu schaffen. Natürlich kann nicht sofort auf jeder Straße auch ein Radweg gebaut werden. Dafür fehlen finanzielle und personelle Ressourcen. Das Ziel ist es, zielgerichtet und effizient eine effektive und nachhaltige Verbesserung der bestehenden Infrastruktur zu schaffen. Um das umzusetzen, benötigt man jedoch sehr viel Wissen: Wo sind die Hauptverkehrswege für den Radverkehr? Wo wird besonders häufig besonders eng überholt? Wie ist der Fahrbahn- oder Radwegzustand? Wo sind Gefahrenstellen oder (potentielle) Unfallschwerpunkte? All das können wir auf freiwilliger Basis mit unserer DASHBIKE über die anonymisierten Sensordaten erfassen.

Die Bürgerinnen und Bürger können somit selbst aktiv zur Verbesserung ihrer eigenen Radverkehrsinfrastruktur beitragen. Die Stadt Leipzig nutzt diese Radverkehrsdaten, um den Radverkehr und die Infrastrukturplanung zu digitalisieren und um Planungsprozesse zu verbessern und zu optimieren."

Wie soll es demnächst weitergehen, was sind geplante Meilensteine?

Sandro Beck: "Neben der hinteren DASHBIKE wird zur Rundum-Absicherung noch eine Frontversion folgen. Generell möchten wir uns aber auch stärker auf die Prävention fokussieren, damit es im Idealfall gar nicht mehr zu Unfällen oder Gefahrensituationen kommt. Dazu planen wir, weitere Städte für unsere Urban Data Plattform DASHTRACK zu gewinnen, um den Radverkehr besser zu verstehen, relevante Wegstrecken und Gefahrenstellen sichtbar zu machen. Ziel ist die gemeinsame Schaffung einer sicheren und attraktiven Radinfrastruktur.

Das kommt nicht nur den Radfahrerinnen und Radfahrern zu Gute, sondern erhöht die allgemeine Verkehrssicherheit für alle und kann durch eine sinnvolle Entflechtung der Verkehrsströme überfüllte Straßen entlasten und auch zukünftige Konflikte zwischen Autofahrenden und Radfahrenden verhindern."

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