Für das #TABinterview sind wir mit Hannah Baumann verabredet. Wenn sie nicht gerade mit Schulkindern in Hamburg neue Konzertformate auf die Bühne bringt, absolviert die Oboistin ihre beiden Masterstudiengänge - an der Hochschule für Musik Franz-Liszt ihr Instrumentalstudium sowie an der Anton Bruckner Universität Linz den Master „Musik im Kontext – Musikvermittlung“. In Weimar gehört sie zu den Studierenden, die mit dem Deutschlandstipendium gefördert werden. Ein Jahr lang erhält sie 300 Euro monatlich, finanziert vom Bund und privaten Stifter*innen, wie in diesem Fall der Thüringer Aufbaubank. Im Interview sprechen wir mit Hannah Baumann über das Stipendium, ehrenamtliches Engagement und die Musikvermittlung der Zukunft.
Mehr Informationen zum DeutschlandstipendiumDas kann ich nicht genau lokalisieren, aber sie muss irgendwo tief in mir drin verwurzelt sein. Schon als Kind hat sich für mich in der klassischen Musik eine kleine Parallelwelt entwickelt – mein Spielplatz, auf dem ich mich ausgetobt habe. Für die Oboe habe ich mich entschieden, weil ich in meiner ersten Oboenlehrerin ein tolles Vorbild hatte. Besonders der Klang hat mich immer sehr berührt. Ich bin außerdem mit Bach groß geworden, in dessen Musik die Oboe sehr präsent ist. Da sitze ich in Thüringen ja sozusagen an der Quelle.
Ich habe in Rostock mein Studium begonnen, wollte aber auch noch andernorts neue Impulse bekommen. Weimar kannte ich schon von den Thüringer Bachwochen, bei denen ich in den vergangenen Jahren immer wieder gespielt habe. Wir haben zwar die ganze Region bespielt, aber die intensiven Probenphasen in Weimar waren besonders schön. Für mich ist es bis heute ein ganz besonderer Ort, nicht nur aufgrund seiner Geschichte und Kultur.
Das Deutschlandstipendium wird alljährlich an den Hochschulen ausgeschrieben. Ich war bereits in Rostock Stipendiatin und habe mich 2020 auch in Weimar beworben.
An der Hochschule Franz Liszt habe ich eine Bewerbung eingereicht, die aus verschiedenen Teilen besteht: einem Empfehlungsschreiben vom Lehrer, ein eigenes Motivationsschreiben sowie den Lebenslauf und ein paar weitere Unterlagen. Eine Kommission trifft eine Vorauswahl und anschließend werden die Bewerber*innen zum Auswahlgespräch geladen. Je nachdem wie viele Stipendien zur Verfügung stehen, werden die Plätze vergeben. An dieser Stelle also vielen Dank an die Thüringer Aufbaubank als Fördergeberin, die das ermöglicht.
Ganz einfach für den Lebensunterhalt. Gerade während der Corona-Pandemie sind regelmäßige Einnahmen weggebrochen, die das Deutschlandstipendium in Teilen aufgefangen hat.
– Hannah BaumannIch finde es schön, dass nicht nur die reine Studienleistung in die Bewerbungsbewertung einfließt, sondern auch Komponenten wie soziales Engagement, Weitblick, Künstlerpersönlichkeit. Dass man versucht, den Menschen dahinter kennenzulernen. Das finde ich gerade in künstlerischen Ausbildungen und Studien besonders wichtig, in der das Persönliche so stark in die Arbeit mit einfließt.
Ich bin Bühnenakademistin bei „TONALi“ in Hamburg, einem gemeinnützigen Kultur- und Bildungsprojekt, Hier verbinden wir Kunst mit sozialen Aspekten. Wir Akademist*innen haben jeweils eine Patenschule in Hamburg. Mit Schüler*innen meines Gymnasiums erarbeite ich dann partizipative Konzertformate. Diese sogenannten „Schülermanager*innen“ gestalten gemeinsam mit mir.
Die Idee dabei ist, sie an klassische Musik heranzuführen, indem sie Teil des Prozesses werden. Als Musikerin muss ich mir ja immer wieder die Frage stellen, für wen und warum ich in diesem Moment und überhaupt Musik mache. Durch die Pandemie wurde die Frage nach der Relevanz ja recht deutlich. Auch unabhängig von den vergangenen zwei Jahren beschäftigt mich, wie man klassische Musik Menschen zugänglich macht, die damit keine oder kaum Berührung haben. Die Musik kann nichts dafür, stelle ich immer wieder fest, wenn ich Menschen mit hineinnehme, die noch nie in einem klassischen Konzert waren. Es sind oft eher die Rahmenbedingungen oder die Etikette, die ihm anhaften, dass sie davon abhält. Oder schlicht die fehlende Heranführung.
Vor einiger Zeit habe mit zwei guten Studienfreund*innen begonnen zu experimentieren. Was vor allem aus vielen Diskussionen und einem großen Konsens über den Status Quo und den Willen, einen Vorschlag zur Veränderung dessen entstand, ist das Konzertkollektiv „Godot Komplex“. Besonders die Suche nach einem neuen Näheverhältnis zum Publikum ist uns in unserer Arbeit wichtig. Um uns aus unserer Blase herauszubewegen und sie nicht selbst zu bedienen, tun wir uns dabei in der Regel mit kollaborativen Partner*innen zusammen. Gemeinsam mit der Medienkünstlerin Ella Estrella entwickeln wir gerade Konzertformat für das Wiener Konzerthaus, für uns eine große Premiere.
Wir können nur Vorschläge machen, denn die Lösungen sind so vielfältig wie die Gesellschaft. Ein Ansatz momentan ist die Frage nach hybriden Konzertformaten, die sowohl analog als auch digital funktionieren, aber mehr sind als ein bloßes Streaming-Erlebnis. Die Digitalität wird zwar meiner Meinung nach nicht das Liveerlebnis ersetzen, ist aber so tief in unserem Leben verankert, dass wir ihre Vorzüge auch künstlerisch mehr nutzen sollten. Besonders die Möglichkeiten der Interaktivität sind dabei sehr reizvoll.
Wir möchten mit den Parallelrealitäten, die durch die Digitalisierung entstanden sind spielerisch umgehen. Dabei bedienen wir eine Videokonferenz-Plattform für das digitale Publikum, in dem man den Berio-Saal des Wiener Konzerthauses nachbauen kann. Das digitale Publikum bewegt sich als Avatar in einer Art Gaming-Optik durch den digitalen Raum, während der Saal ein Bühnenbild bekommt, dass sich an den digitalen Elementen dieser Plattform orientiert. Sowohl das analoge als auch das digitale Publikum wird dabei immer wieder interaktive Elemente ansteuern können und gestaltet das Konzert aktiv selbst mit, teilweise ohne es zu merken. Am 29. September 2022 kann man das in Wien oder von zuhause erleben.
Das ist schwer zu sagen, denn das Digitale entwickelt sich so unglaublich rasant weiter. Ich halte daran fest, dass ein Live-Erlebnis nicht zu ersetzen ist. Aber das Digitale bietet viele Möglichkeiten, den Zugang zu klassischer Musik niedrigschwelliger zu gestalten und ein diverseres und internationales Publikum zu erreichen. Im nächsten Schritt bewegt man die Menschen dann vielleicht dazu, dass Klangerlebnis auch real erleben zu wollen. Dass die Musik dann für sich selbst wirkt, davon bin ich überzeugt.
Carolin Demar studiert Elektrotechnik im Master an der TU Ilmenau. Sie gehört zu den 34 Studierenden der Uni, die mit dem Deutschlandstipendium gefördert werden. Im #TABinterview erzählt uns die 24-Jährige, wie sie zum Stipendium gekommen ist und was ihr besonders an Ilmenau gefällt.
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